Schulleben

Schule während Corona – Interview mit einem Lehrer

Das Homeschooling ist für die meisten Schüler längst Alltag, das Abschicken alleine gelöster Aufgaben ist für viele kein Problem mehr und auch das Teilnehmen an Videokonferenzen ist zur Normalität geworden. Doch wie geht es den Lehrern in dieser Situation? Welche Probleme haben und hatten sie mit der neuen Art zu unterrichten und was denken sie über das Vorgehen der Politiker während dieser schwierigen Zeit?
Hierzu habe ich einen Lehrer an einer Frankfurter Schule befragt.


Was hat sich in Deinem Alltag durch das Homeschooling verändert?
Eine ganze Menge. Homeschooling bedeutet in meinem Fall, dass ich sowohl als Vater, als auch als Lehrer gefordert wurde. Aber das geht ja vielen so, dass man im Prinzip „nebenbei“ noch die eigenen Kinder betreuen muss, wenn es technische Probleme oder inhaltliche Frage gibt. Der Klassiker ist natürlich: Papa, das WLAN geht nicht! DU MUSST DAS SOOOOOFOOORT REPARIEREN!!!! (Lacht) Das sensibilisiert natürlich für den eigenen Unterricht. Homeschooling hieß für mich in erster Linie
Videounterricht unterstützt von Moodle. Das ging technisch eigentlich ganz gut. Das hat halt bedeutet, dass ich teilweise 9 Stunden am Stück Videokonferenzen hatte.

Also kommst Du gut mit der neuen Art zu unterrichten zurecht?
So würde ich das nicht sagen. Natürlich stellt man Aufgaben und versucht den Schülern Inhalte zu vermitteln. Bekommt aber wirklich wenig Rückmeldung, weil man nicht weiß, was bei den Schülern zu Hause los ist, ob sie alleine in einem Raum arbeiten können oder sich den Raum mit Geschwistern teilen müssen. Das macht es tatsächlich schwierig. Es ist ein bisschen wie Fernsehen, man sendet so ins Nirvana.
Geht das allen Lehrer so oder bezieht sich das nur auf Deinen Unterricht?
Das kann ich ganz schwer einschätzen, weil der Austausch mit den anderen
Kollegen ja auch völlig weggebrochen ist. Man wird noch mehr zum Einzelkämpfer. Ich weiß, dass sich viele Kollegen wirklich viel Mühe gemacht haben, mit Präsentationen, aber die Beziehungsarbeit mit den Schülern ist auf der Strecke geblieben.
Wie erlebst Du andere Lehrer während des Homeschoolings?
Gar nicht!
Gibt es wirklich überhaupt keinen Kontakt mehr?
Na ja, da ich mir in der Schule mit einem Kollegen das Büro teilen muss, habe ich ihn ein paar Mal bei Videokonferenzen erlebt. Der ist Informatiker, das ist also kein repräsentatives Bild. Wie gesagt, man hat kaum Zeit und Raum für einen Austausch, wenn alle im Distanzunterricht sind.
Fehlt der Kontakt zu den Schülern beim Unterrichten sehr?
Mir schon. Man bekommt ja kaum Rückmeldung, unsere Schüler machen auch ihre Kameras nicht an und auch nicht die Mikrofone. Da ist das wirklich sehr seltsam. Wenn es nur um das Hochladen von bearbeiteten Aufgaben bei Moodle angeht, fehlt der Kontakt auch vollständig.
Wirklich? Bei uns an der Ziehenschule ist es aus Sicherheitsgründen bei vielen Lehrern Pflicht, die Kamera anzuschalten, es sei denn, man hat eine wirklich gute Begründung. Das ist euren Schülern also komplett freigestellt?
Hm. Da sieht man mal, wie unterschiedlich Dinge an den Schulen laufen. Ich habe denen das nie aktiv freigestellt. Sie behaupten schlicht, es gehe nicht und auch die anderen Lehrer scheinen das nicht konsequent einzufordern. Schwierige Sache.
Zeigen Deine Schüler ansonsten viel Engagement beim Lernen online oder vergessen sie zum Beispiel häufig Aufgaben abzugeben oder an Videokonferenzen teilzunehmen?
Die Unterschiede werden deutlicher. Die, die sich gut organisieren können,
scheinen nicht so viele Probleme zu haben. Die, die eher Unterstützung benötigen, scheinen mehr Probleme zu haben. An den Videokonferenzen nehmen ca. 90% teil. Die Aufgaben geben etwa nur 50% ab. Das hat aber vielleicht auch etwas mit unserer Schülerschaft und deren sozioökonomischen Hintergrund zu tun. Und man merkt auch
ganz schwer, wem es im Homeschooling so richtig schlecht geht.
Aber ihr Lehrer seht trotz der Distanz deutlich, wer mitarbeitet und wer nicht?
Ja, aber das hilft an der Stelle nicht so viel. In einer Videokonferenz merkt man es tatsächlich nicht so, bei den abgegebenen Aufgaben dafür umso mehr.
Die ersten Schüler kamen ja schon vor einiger Zeit wieder in den Unterricht zurück, fällt dir an den Schülern, die schon wieder präsent in der Schule unterrichtet werden, etwas besonderes auf?
(Lacht) Die fallen schnell in die alten Verhaltensweisen zurück. Nur bei ganz wenigen merkt man, dass sie den Bezug zu Regeln und der Schule verloren haben.
Was meinst Du damit? Wie zum Beispiel was…?
Einzelne sind etwas vorlauter.
Welches Fach ist deiner Meinung nach am schwersten auf Distanz zu unterrichten, oder fehlt dir der Eindruck aus den anderen Fächern?
Mathe, weil es so wichtig ist.
Hattest Du große Schwierigkeiten, die Menge der Aufgaben abzuschätzen?
Das ist eine spannende Frage. Manchmal ja. Manchmal haben die Schüler aber auch eine seltsame Vorstellung. Wenn ich ihnen zum Beispiel Aufgaben im Umfang von 5 Schulstunden im Leistungskurs gebe, dann wundern sie sich, dass sie auch 5 Stunden am Schreibtisch sitzen müssen.
Du bist aber auch der Meinung, dass einige sehr engagierte Lehrer maßlos übertreiben? Oder?
Das kann schnell passieren und ist natürlich blöd, wenn das in mehreren
Fächern in der gleichen Klasse so ist. Schülern fehlt die Möglichkeit der Entlastung.
Jetzt geht es ja bald für alle in irgendeiner Form wieder los. Findest Du diese Schulöffnungen zu früh? Da kann ich jetzt nur als Privatperson antworten und bin froh, dass ich diese Entscheidung nicht treffen muss. Ich sehe das Spannungsfeld zwischen Infektionsgeschehen und der Notwendigkeit, dass es für die Schüler extrem wichtig ist, in der Schule zu sein. Es gibt da irgendwie keine richtige Lösung.
Kurzzeitig waren doch Impfungen für Lehrer im Gespräch. Was denkst Du darüber, dass jetzt nur Grund- und Förderschullehrer geimpft werden?
Ist das so? Meines Wissens nach gibt es nach den Osterferien Impfangebote für alle Lehrer.
Aber später als die anderen.
Im Bereich der Grund- und Förderschulen ist das Abstandhalten und das Maske tragen, also insgesamt die Umsetzung der Hygieneregeln, schwierig. Also könnte es eine sinnvolle Entscheidung sein, diese zuerst zu impfen.
Wirst Du Dich nach der Impfung sicherer fühlen? Oder wird sich nicht so viel für Dich verändern?
Natürlich werde ich mich sicherer fühlen, die Frage ist aber wie lange bestimmte Unsicherheiten oder Ängste bestehen bleiben.
Vielen Dank, dass Du dir Zeit genommen hast.
Sehr gerne!

Das Interview wurde von Antonia geführt.

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