Generation Zwang / Gen Z: Wenn uns unsere Gesellschaft krank macht

Dass der Leis­tungs­druck zuge­nommen hat, ist laut Wissenschaftler:innen nun mal Fakt und das auf verschie­denen Ebenen. Mitt­ler­weile haben wir den Drang entwi­ckelt, besonders vielen Ansprü­chen gerecht werden zu müssen. Sogar Ansprü­chen, die gar nicht vereinbar mit unseren Wünschen, Werten und Bedürf­nissen sind. Das Wort „Versagen“ ist zu einem Unwort, zu einer Belei­di­gung geworden. Eine Belei­di­gung, die schon beim Nach­denken darüber quälende Kopf­schmerzen bereitet.

So entsteht aus gesell­schaft­li­chem Druck gesell­schaft­li­cher Zwang. Als wäre der Druck nicht bereits genug, fühlen wir uns zur Erfüllung gesell­schaft­li­cher Normen und Ideale geradezu verpflichtet und gezwungen. Der Zwang, sozialen Anfor­de­rungen nach­zu­kommen, nicht ausge­schlossen, sondern inte­griert zu werden, setzt viele Jugend­liche unter enormen Druck. Das über­schattet die Frage nach dem Dasein, die Frage nach der Authen­ti­zität. Nach dem „Bin ich noch ich selbst?“ oder eher „Wer bin ich eigent­lich?“ „Lebe ich für mich oder die Gesell­schaft?“.

Dieser Selbst­op­ti­mie­rungs-Wahn hat sich so verstärkt, dass wir inzwi­schen sogar von einem Zeitalter der Selbst­op­ti­mie­rung sprechen. So bezeichnen Sozialwissenschaftler:innen den Zustand der aktuellen Gegenwart. Das bedeutet schlichtweg, dass Menschen ihren Wert anhand ihrer Leis­tungen messen und defi­nieren. Werte wie Liebe, Bezie­hungen, Familie und Toleranz gehen verloren, werden ausge­blendet. Statt­dessen ist die Selbst­op­ti­mie­rung und das Streben nach mehr und mehr Erfolg ein zentrales Ideal, das Besitz von unserer Gesell­schaft genommen hat.

Durch diese uns vorge­führten Trends und Ideale entsteht nicht nur ein falsches Bewusst­sein, sondern auch enorme psychi­sche Belastung. Heut­zu­tage wollen wir alle das Beste erzielen und verlieren dabei das eigent­liche Gefühl von Zufrie­den­heit und das eigene Ziel aus den Augen. Der dadurch entfachte Stress und Druck können sowohl physi­schen als auch psychi­schen gesund­heit­li­chen Schaden anrichten. Es kommt beispiels­weise zu Depres­sionen oder Essstö­rungen.

Druck kann auf verschie­denen Ebenen und in vielerlei Hinsicht erzeugt werden. Zum Bespiel durch Grup­pen­zwang, durch akade­mi­sche und sozio­öko­no­mi­sche Zwänge. Hinzu kommen Schön­heits­ideale, Stereo­typen, das Streben nach Erfolg. Verlangt werden Höchst­leis­tungen sowie das Streben nach allge­meiner Perfek­tion und Prestige. Vielen dieser Dinge versuchen wir alltäg­lich aufs Neue gerecht zu werden. Aber jetzt mal ehrlich: Wir wären keine Menschen mehr, könnten wir all das gleich­zeitig in unserem einen Leben bewäl­tigen.

Abgesehen davon: Wer hat denn beschlossen, dass dieje­nigen, die all diese Anfor­de­rungen erfüllen, auch gleich­zeitig die besseren Menschen sind? Dinge gewinnen doch nur den Wert, den man ihnen verleiht, wie schon der Drama­tiker Jean Baptiste Molière (16221673) gesagt hat. Und das ist nun mal Fakt. Genau das zeigt, dass gesell­schaft­li­cher Druck das Glück behindert.

Bereits im Kindes­alter werden wir mit Leis­tungs­druck konfron­tiert. Und das in verschie­denen Formen. Dabei spielt auch das Schul­system eine bedeut­same Rolle. Und gerade in dieser Phase des Heran­wach­sens brauchen wir Unter­stüt­zung, statt zusätz­li­chen Druck. Aller­dings ist es damit noch nicht mal annähernd vorbei. Im Arbeits­leben geht es direkt weiter. Der Druck zieht sich wie eine schmer­zende Zeit­schleife weiter und eines ist klar: Irgend­wann streikt unser Körper, und es gilt: „Schluss, Aus, sonst Burnout!“ Und das nicht umsonst. Denn nach vielen Studien vermehren sich sowohl psychi­sche als auch physische Erkran­kungen.

Schlimm, oder? Wirklich schade, dass es so weit gekommen ist. Doch damit allein ist unser Zustand noch nicht erklärt. Dazu gehört noch einiges mehr. Und zwar unser Mitwirken. Denn das müssen wir ändern, wenn wir unsere Indi­vi­dua­lität und Persön­lich­keit nicht in einem Spiel, geprägt von Druck und Zwang, verlieren wollen.

Denn:

„Unsere Imper­fek­tion ist der Inbegriff von Voll­kom­men­heit und Authen­ti­zität. Erst unsere Imper­fek­tion macht uns perfekt!“

Der Einfluss von digitalen Technologien

Innerhalb weniger Jahr­zehnte hat sich unser Lebens­wandel grund­le­gend geändert. Wir sind mit der Zeit gegangen, also auch mit der Digi­ta­li­sie­rung. Und diese legt uns eine Menge Vorteile dar.

Aller­dings kann auch die stetig wachsende Digi­ta­li­sie­rung Fluch und Segen zugleich sein. Denn durch neue Tech­no­lo­gien, wie insbe­son­dere durch soziale Netzwerke (Social Media), wird der gesell­schaft­liche Druck zusätz­lich verstärkt. Durch sie können falsche Gesell­schafts­bilder erst recht verbreitet werden. Was keine Norma­lität ist, wird als Norm ange­priesen, wenn uns die soge­nannten sozialen Medien permanent mit stark bear­bei­teten und unrealen Tools und Reels konfron­tieren.

Dabei werden nicht nur Trends geschaffen, sondern auch die Entfal­tung der eigenen Persön­lich­keit verhin­dert. Immer mehr Menschen inves­tieren viel Zeit auf diesen Platt­formen. Dabei gewinnen immer mehr psychi­sche Krank­heiten die Oberhand über uns. Ob es zwischen Sozialen Medien und der mentalen Gesund­heit einen direkten Zusam­men­hang gibt, ist in vielen Studien zwar umstritten, wird damit dennoch in Verbin­dung gesetzt. Eine Reihe von Studien konnte nahelegen, dass die Social-Media-Nutzung die Entste­hung von Depres­sionen begüns­tigen kann. Eine konkre­tere Antwort auf diese Frage gibt es zwar noch nicht, aber das liegt daran, dass die Sozialen Netzwerke noch nicht lang genug exis­tieren, und deshalb in diesem Bereich noch nicht ausrei­chende Forschungs­er­geb­nisse vorliegen.

Fakt ist jedoch, dass Soziale Medien zu einer gestörten Selbst­wahr­neh­mung führen können und diese wiederum zu einem schlechten Wohl­be­finden. Durch sozialen Vergleich verlieren wir oftmals den Bezug zu uns selbst. Dabei vergessen wir, dass nicht alles, was in den Sozialen Netz­werken zu sehen ist, unter anderem in Apps wie TikTok und Instagram, der Realität entspricht. Denn dort herrscht Unau­then­ti­zität und Utopie, statt Realität. Auch Propa­ganda und Hetze können leicht über sie verbreitet werden, und das könnte sogar eine Gefahr für die Demo­kratie darstellen. Vergleiche geschehen auto­ma­tisch, also oftmals auch unbemerkt.

Aller­dings können wir dem mit unserer Social-Media-Nutzung entge­gen­wirken und diese gezielt beein­flussen, um so einen gesunden und souve­ränen Umgang zu erlangen. Denn Soziale Medien bieten auch eine Menge Vorteile, wie die verbes­serte Konnek­ti­vität, den einfachen und schnel­leren Zugang zu Infor­ma­tionen, beruf­liche Vermark­tung etc. Doch zual­ler­erst sollten wir unseren Fokus auf unsere Bedürf­nisse und das echte Leben da draußen richten. Hat man keine Maßstäbe, hat man auch keinen Vergleich.

Eine Möglich­keit, die wirklich dabei helfen kann einen sicheren Bezug zur digitalen Welt herzu­stellen, sind Aufklä­rungs­work­shops in Schulen. Dadurch werden Jugend­liche und Kinder bereits mit den Risiken und einem sicheren Umgang konfron­tiert. Ein Beispiel dafür sind Medi­en­scouts in Schulen.

Unter Medi­en­scouts versteht man die Bildungs­in­itia­tive von Lehr­kräften, Kindern und Jugend­li­chen, die als Mentor:innen agieren und sich gegen­seitig über das Thema mediale Welt aufklären, unter­stützen und betreuen. Lehr­kräfte, Kinder und Jugend­liche können sich zu Medi­en­scouts ausbilden lassen. Dabei können ausge­bil­dete Jugend­liche ihre Mitschüler:innen im Hinblick auf medi­en­be­zo­gene Inhalte aufklären. Das Ziel dabei ist es, die Medi­en­kom­pe­tenz zu fördern und für einen verant­wor­tungs­be­wussten Umgang zu sorgen. Medi­en­kom­pe­tenz bedeutet, sich der Gefahren und Risiken bewusst zu sein, aber gleich­zeitig auch die Chancen digitaler Medien zu nutzen, von ihnen zu profi­tieren.

Einige Bundes­länder, wie etwa NRW, prak­ti­zieren bereits Projekte zur reflek­tierten Medi­en­nut­zung. Und viel­leicht wären bundes­weit entspre­chende Pflicht­work­shops an Schulen eine gute Idee, um für Aufklä­rung zu sorgen. Jugend­liche erhalten so nicht nur einen gesunden Umgang, sondern wissen auch, an wen sie sich im Falle von bspw. Cyber­mob­bing wenden können; oder wie sie damit selbst umgehen können. Und vor allem lernt man, der Schein­welt da draußen nicht zu trauen und bei sich selbst zu bleiben, sich nicht mit anderen zu verglei­chen denn:

„Das Verglei­chen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzu­frie­den­heit.“
Søren Kier­ke­gaard

Generation Z oder eher Generation Scherbenhaufen? 

Wir leben stetig in einem Wandel. Das Leben bringt eine Menge Verän­de­rungen mit sich, an die wir uns gewöhnen müssen. Verän­de­rungen sind nicht zwangs­läufig etwas Schlechtes. Oftmals sind sie sogar eine Berei­che­rung. Vieles hat sich in den letzten Jahr­zehnten verbes­sert. Wir sind offener, die konser­va­tiven Einstel­lungen schwinden allmäh­lich, neue Tech­no­lo­gien und Inno­va­tionen füllen diesen Raum.

Aber das heißt nicht, dass sich manche Dinge nicht auch verschlech­tert haben. Die mediale Welt gewinnt die Oberhand. Kinder werden bereits im frühen Alter permanent mit Medien konfron­tiert. Die spie­le­ri­sche Kindheit gerät leicht in den Hinter­grund. Und genau von diesen Verän­de­rungen sind Menschen, die zwischen den Jahren 1995 und 2010 geboren worden sind, besonders betroffen. Diesen Zeit­ab­schnitt bezeichnet man auch als Gene­ra­tion Z.

Die Gene­ra­tion, die laut Studien, besonders zum psychi­schen Ungleich­ge­wicht neigt. Ob das ausschließ­lich nur an Sozialen Medien liegt, kann man noch nicht genau belegen. Aktuell sind wir noch nicht so weit, um das konkret zu beur­teilen. Aller­dings gibt es zahl­reiche Vermu­tungen und aufschluss­reiche Zusam­men­hänge.

Wir leben in einer Trend­ge­sell­schaft. Das haben wir ehrlich gesagt schon immer. Doch durch die Etablie­rung Sozialer Medien wird der gesell­schaft­liche Druck drastisch verstärkt und ist eventuell auch einer der Haupt­gründe für unseren prekären Zustand. Und dass der Social-Media-Hype nun mal Risiken birgt, ist erwiesen.

Doch bietet der Verzicht auf Soziale Medien eine effi­zi­ente und richtige Lösung? Meiner Meinung nach: ein klares Nein. Es geht viel eher um einen gesunden Umgang, mit gutem Bewusst­sein für die Realität. Die Digi­ta­li­sie­rung bringt uns voran. Wir haben Chancen, die wir nutzen sollten. Und zwar richtig, ohne uns dabei zusätz­liche Probleme zu schaffen.

Wofür ich jedoch plädiere, ist die Einschrän­kung von Propa­ganda, Hetze und Cyber­mob­bing. Hierbei würde ich das Eingreifen der Politik sehr begrüßen. In Schulen sollte mehr über die Risiken, die Soziale Medien bergen, aufge­klärt werden. Viel­leicht wäre das etwas für die Themen­woche?

Die Frage, ob wir unsere Gene­ra­tion mit einem Scher­ben­haufen gleich­stellen können, ist damit aber noch längst nicht beant­wortet. Wenn sich die Befürch­tungen jedoch in den kommenden Jahren bewahr­heiten sollten, könnten wir so enden.

Um dem entge­gen­zu­wirken und die kommenden Gene­ra­tionen und deren Schicksal zu retten, lautet mein Statement:

„Liebe Dich. Lebe nach deinen Bedürf­nissen, sei du selbst, verwirk­liche deine Träume und lächle!“

von
Ela Cigir­dasman