Herr Dr. Leppek persönlich: Heimwerker-Herz, Horror-Hunger und warum Stärken zählen

Von Zement, Zweifel und Zuver­sicht – was Herrn Leppek antreibt.

Im Kopf noch der Geruch von Baumarkt und feuchtem Zement, im Gespräch der Lehrer, den viele nur aus dem Klas­sen­raum kennen: „Ich bin unheim­lich oft im Baumarkt“, sagt Dr. Leppek und lächelt, „Heim­werken ist für mich ein wunder­barer Ausgleich – jetzt rühren wir mal einen Eimer Flie­sen­kleber an und verlegen Fliesen.“ Den Funken habe sein Opa gezündet: „Wichtig, dass du nicht zwei linke Hände hast.“ Heute reicht sein Werk­zeug­park vom Akku­schrauber bis zur Boden­fräse; auf der To-do-Liste stehen Fassaden, Fliesen, Böden, sogar Dach­be­grü­nung und Photo­vol­taik. „Man kann unheim­lich viel machen und lernen… aber man sollte wissen, wo die Grenzen sind – sonst wird’s gefähr­lich.“ Ein Kopf, der tagsüber Theorie sortiert, freut sich abends über gerade Fugen.


Seine Playlist? Über­ra­schend soft. „Paul Hart­castle… Jazz Masters“, dazu das Neueste von Planet Radio – „Feel-Good-Musik“, wie er sagt, „ich bin jetzt nicht so der für die schweren Sachen.“ Wenn der Bild­schirm angeht, prallen Welten aufein­ander: „US-Slapstick? Absoluter Blödsinn – und genau das macht Freude.“ Die nackte Kanone hat er „mit meinem Sohn“ wieder­ent­deckt – ein Kinoabend, der zeigt, wie die Parodie auf Gewalt gleich­zeitig Quatsch und Kommentar sein kann. Und dann ein Cut ins Dunkle: „Ich habe sowas wie Angstlust… Horror­filme sind für mich absolut wichtig.“ Zuletzt mochte er „Cassandra“ auf Netflix: eine Retro-KI im 70er-Desi­gner­haus, Schlager singend, Messer in der Hand – „ab 16, da muss man aufpassen.“ Im Regal daneben: „ab und an eine kleinere Stephen-King-Geschichte“ – und während­dessen die Mithilfe bei einer Habi­li­ta­ti­ons­schrift zur theo­lo­gi­schen Metaethik. Leichtes und Schweres neben­ein­ander, bewusst.


Warum Theologie? Weil die große Frage lockte. „Mich hat die Gottes­frage faszi­niert“, erzählt er. Den Konflikt zwischen Wissen­schaft und Glauben „gibt es meines Erachtens nicht“ – an der Uni habe ihn eher begeis­tert, „wie wissen­schaft­lich man an die Texte“ herangeht. Dass ihn dort eine hervor­ra­gende Reli­gi­ons­leh­rerin am Gymnasium in Frankfurt mit auf den Weg brachte, sagt er im Rückblick; spannend sei es für ihn erst „ab der Oberstufe“ geworden, als es intel­lek­tuell forderte. Wissen­schaft­lich denken, ohne den Glanz der Frage zu verlieren: Daraus ist ein Beruf geworden, der nicht geplant war – aber passt.


Und dann Schule dort wo man ihn erlebt. Was ihm wichtig ist? „Dass die Themen spannend und relevant sind“ – das Privileg seiner Fächer sei, „dass wir über Dinge sprechen können, die uns betreffen.“ Dafür brauche es Atmo­sphäre: „Humorvoll zu arbeiten ist für mich eine Lebens­ein­stel­lung.“ Er gönnt seinen Kursen Tiefgang und Zeit, auch mal fern vom Distri­bu­tiv­ge­setz – Haupt­sache, es entsteht ein Gespräch, in dem man merkt: Das hier hat mit uns zu tun.


Wenn er über Leistung spricht, dreht er die Perspek­tive. Hete­ro­ge­nität ist für ihn kein Problem­wort, sondern Ausgangs­punkt: Stärken statt Defizite. „Sehen, was jemand besonders gut kann – und dazu ermutigen.“ Unser System gleiche gern Schwächen aus; er denkt weiter: „Im Blick auf die Zeit nach der Schule… wo sind meine beson­deren Talente?“ Unter­richt, sagt er, sollte genau dort ansetzen – und eine Atmo­sphäre schaffen, „in der das sein darf, dass wir alle Indi­vi­duen sind.“


Und die Noten? Einatmen, ausatmen. „Noten sind verdammt wichtig – aber das ist nicht alles.“ Sie bezögen sich „auf beob­acht­bare, messbare Leis­tungen“, nie auf den Menschen selbst: „Wir urteilen nicht über die Würde eines Indi­vi­duums… Noten niemals zu hoch hängen.“ Als jemand, der viel korri­giert, kennt er die Grenzen von Gerech­tig­keit im System – und plädiert dafür, die Zahl als Rück­mel­dung, nicht als Urteil zu lesen.


Sein Weg hierher war nicht durch­ge­plant. „Ich kam nicht straight zur Schule… ich bin übers Pfarramt ins Lehramt gekommen“, sagt er – und klingt sehr zufrieden damit. Viel­leicht liebe er genau das Offene, das Nicht-Lineare: „Es gibt so viele spannende Dinge – dafür reicht ein Menschen­leben nicht.“ Also wählen, was trägt; den Rest loslassen. Neben der Schule schreibt er wissen­schaft­lich aus Leiden­schaft, nicht fürs Geld – zuletzt über den Theologen Wolfhart Pannen­berg in einem Band über den „Aufbruch in Ruinen“ nach 1945. „Teil der Diskus­sion sein“ – auch das mag er: Gedanken auf Papier werfen und schauen, was die Welt damit macht.


Und irgendwo zwischen Werkbank und Klas­sen­zimmer formu­liert sich seine leise Haupt­sache: Glück. „Wir sollten schauen, dass wir glücklich werden… das Leben ausge­stalten mit unseren Talenten und Chancen“, sagt er – mit Begeis­te­rung, „und mit Demut, nicht alles zu können.“ Geprägt hat ihn auch ein USA-Jahr: Think positive als Haltung, die Sonne im Kopf, Menschen, „die Bock haben, was zu bewegen“. Und er empfiehlt es ausdrück­lich allen, die die Möglich­keit haben: macht ein Auslands­jahr – rausgehen, neue Perspek­tiven mitnehmen, zurück­kommen und anders auf Schule und Leben schauen. Viel­leicht erklärt das auch, warum in seinen Stunden selbst ernste Themen Raum für Humor finden – und warum Praxis und Denken bei ihm oft ganz selbst­ver­ständ­lich zusam­men­kommen.


Am Ende bleibt eine Handvoll Gedanken, die sich wie Wegmarken lesen: Talente zu pflegen, statt nur Schwächen auszu­glei­chen. Noten als Rück­mel­dung zu sehen, nicht als Urteil. Relevanz zu suchen – in Themen, die einen selbst betreffen – und Humor als Werkzeug zu behalten. Und viel­leicht vor allem: Dinge zu bauen – mit den Händen, mit dem Kopf, mit anderen. Wenn dann die Fliese hält und ein Gespräch etwas in Bewegung bringt, ist schon viel erreicht.

von
Lenny Kranjec

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