Soeben wurde über Tendenzen berichtet, die auf einen Rechtsruck unter den bürgerlichen Parteien (CDU, SPD, FDP und Grüne) hindeuten. Die Parteien passen sich diesem Zustand an, um den Kreis ihrer Wählerschaft zu vergrößern. Doch dieses Vorgehen bringt fatale Folgen mit sich.
Selbst Studien belegen, dass dadurch nicht die eigenen, sondern erst recht die rechten Parteien gestärkt werden. Die Menschen können die Unterschiede kaum ausmachen und wählen mit dem Gedanken: Warum Fake und nicht gleich das Original? Genau das sollte nicht sein. Aber genau so ist es.
Die Parteien verlieren sich selbst, statt zu ihren Werten zu stehen. Populismus unter den liberalen und demokratischen Parteien hat ebenfalls negative Folgen. Die Parteien hetzten, bekämpfen und schießen untereinander gegen sich. Kritik ist gut, solange sie nicht von Opportunismus und strategischem Populismus geprägt ist. Denn dadurch werden nicht nur die amtierenden Parteien verunsichert und destabilisiert, sondern auch die Wähler:innen verunsichert.
Sowie man es bei der ehemaligen Ampel-Koalition sehen kann. Sie ist an der Kompromisslosigkeit und durch strategischen Populismus zugrunde gegangen. Von außen kam Druck und von innen kam Druck. Und eigentlich müsste man doch meinen, dass allen demokratischen Parteien in erster Linie, der Erhalt der Demokratie und Toleranz am Herzen liegen sollte.
Doch stattdessen ist ein Überlebens- und Existenzkampf entstanden. Und dieser Kampf ist nun die Ursache für das Resultat der gescheiterten Ampelkoalition. Die Koalition ist erodiert. Doch war das nicht vorhersehbar?
Der strategische Populismus und Hetze, die unter anderem von der FDP betrieben wurden, hat die Ampel-Koalition zentrifugal zerstört. Der permanent praktizierte Populismus und die permanente Bemängelung der CDU gegenüber der ehemaligen Ampel haben sie zentripetal zerstört.
Am Abend des 6. Novembers wurde bekanntgegeben, dass Bundeskanzler Scholz Finanzminister Christian Lindner entlassen hat. Gegenseitige Schuldzuweisungen beflügeln die Situation. Nach dem Ende der Ampelkoalition geben sich die ehemaligen Partner gegenseitig die Schuld.
Scholz sprach in seiner Rede von einem Vertrauensbruch der FDP und dass diese sich als nicht kompromissbereit erwies und sich in ihrem Haushaltschreiben gegen die Koalitionsverträge richtete und sich dabei ausschließlich auf das eigene Klientel bezog. Was man ja auch ehrlich zugeben muss. Denn wie soll Politik, Demokratie und eine soziale Marktwirtschaft funktionieren, wenn nicht alle miteinbezogen werden?
Christian Lindner jedoch spricht von einer „Entlassungsinszenierung“. Doch dann etwas später wurde das sogenannte „D‑Day-Papier“ von den Liberalen veröffentlicht. Ein achtseitiges Dokument, in dem es darum geht, wie die FDP die Koalition mit SPD und Grünen zu einem idealen Zeitpunkt aufkündigen kann.
In einer Ablaufpyramide werden etappenweise und systematisch verschiedene Phasen und deren Ablauf dargestellt. Es gibt sogar genaue Pläne, wie die Kommunikation in den Medien ablaufen soll, sobald es zu einem Ampelbruch komme.
Doch das Beste an der Situation ist, dass die FDP dieses Papier selbst veröffentlicht hat. Sie bezeichnen dieses Dokument als „Arbeitspapier“ und dass es lediglich eine interne Vorbereitung für ein mögliches Szenario eines Ausscheidens der Liberalen aus der Ampel-Koalition darstelle.
Nun jedoch steht der Vorwurf im Raum, die FDP habe ihren Ausstieg aus der Koalition gezielt herbeigeführt und selbst inszeniert. Und das zeigt nun einmal mehr, dass es hierbei nicht mehr darum geht, gute Politik zu betreiben und Kompromisse einzugehen, sondern um Macht.
Welches Kalkül auch immer hinter dem Veröffentlichen des „D‑Day-Papiers“ steckt, die FDP hat sich ein Eigentor geschossen. Das Resultat: Die FDP steckt in der Krise und der Skandal trägt einen eigenen Namen, und zwar die sogenannte „D‑Day-Affäre“, das Misstrauen in die Politik wächst und davon profitiert letztendlich die Partei am rechten Rand.
Und hier sieht man es. Die Zeit wird damit verschwendet, einen Sündenbock für die Situation auszumachen, und alle drei Fraktionen sind an dem Endergebnis nicht ganz unbeteiligt. Die einen mehr, die einen weniger.
Und diese ständigen Schuldzuweisungen und dieser Existenzkampf, der lediglich von Opportunismus geprägt ist, sind nun Ursache für die bestehenden Dilemmata. Gerade Kompromisslosigkeit ist doch in einer Demokratie, die zunehmend unter Druck steht, brandgefährlich. Doch das hat wohl vor allem eine Partei nicht verstanden.
Dennoch ist der Bruch der Ampelkoalition gut, denn die Parteien können sich davon erholen, der Ruf als Streitkoalition könnte verblassen und die Parteien könnten endlich wieder zeigen, was sie können.
Bundeskanzler Scholz kündigte an, am 15. Januar 2025 die Vertrauensfrage zu stellen. Während eines Treffens zwischen Union und SPD wurde über das nun weitere Vorgehen beraten. Merz forderte sofortige Neuwahlen, denen Scholz wiederum widersprach.
Hat der jetzt noch amtierende Bundeskanzler eine vernünftige Entscheidung getroffen, die er nun mit einer unvernünftigen zu Nichte macht? Doch kurz danach zeigte er sich auch dafür kompromissbereiter.
Man könnte beinahe meinen, dass sich zwischen dem jetzt noch amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz und Friedrich Merz eine blühende Freundschaft entwickelt bei dieser Kompromissbereitschaft. Oder ist es doch viel eher eine Ruhe vor dem Sturm?
Die Termine stehen inzwischen fest. Am 16. Dezember 2024 soll die Vertrauensfrage vom Bundeskanzler im Bundestag gestellt werden und der Termin für die Neuwahlen wurde nun auf den 23. Februar 2025 gelegt.
von
Ela Cigirdasman