Debatte: Für oder gegen ein AfD‑Verbot? – Ja, ganz klar für ein Verbot!

Mehrere Bundes­tags­ab­ge­ord­nete wollten ein Verbots­ver­fahren gegen die AfD bean­tragen und suchten weitere Verbün­dete. Über den Antrag wurde strittig und kontro­vers disku­tiert. Denn kann ein solches Verbots­ver­fahren überhaupt erfolg­reich sein oder könnte es die Situation nur noch weiter aufheizen und kata­stro­phale Folgen mit sich bringen? Letztlich schei­terte dieses Vorgehen.

Aktuell entflammt eine erneute Debatte darüber, nachdem der Verfas­sungs­schutz ein Gutachten mit mehr als 1.000 Seiten veröf­fent­licht hat, das als Vorlage für Belege dienen soll. Warum es dringend nötig ist ein AfD-Verbots­ver­fahren in Gang zu setzen, thema­ti­siere ich genauer.

Zu allererst: Was ist eigent­lich ein Partei­ver­bots­ver­fahren und wann kann dieses eintreten?

Die Gründung von Parteien ist zwar frei, dennoch können diese unter bestimmten Voraus­set­zungen verboten werden. Parteien müssen nämlich verfas­sungs­widrig agieren, um verboten werden zu können. Dabei kann lediglich das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt, als freies unab­hän­giges Organ, durch Urteil entscheiden, ob eine Partei verfas­sungs­widrig ist.
Der Antrag auf eine Prüfung der Verfas­sungs­wid­rig­keit kann nur durch den Bundestag, die Bundes­re­gie­rung oder den Bundesrat gestellt werden.

In Artikel 21 unserer Verfas­sung werden Grund­aus­sagen zum Recht der poli­ti­schen Parteien in Deutsch­land fest­ge­legt und geregelt:

  1. Die Parteien wirken bei der poli­ti­schen Willens­bil­dung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demo­kra­ti­schen Grund­sätzen entspre­chen. Sie müssen über die Herkunft und Verwen­dung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffent­lich Rechen­schaft geben.
  2. Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die frei­heit­liche demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung zu beein­träch­tigen oder zu besei­tigen oder den Bestand der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land zu gefährden, sind verfas­sungs­widrig.
  3. Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausge­richtet sind, die frei­heit­liche demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung zu beein­träch­tigen oder zu besei­tigen oder den Bestand der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land zu gefährden, sind von staat­li­cher Finan­zie­rung ausge­schlossen. Wird der Ausschluss fest­ge­stellt, so entfällt auch eine steu­er­liche Begüns­ti­gung dieser Parteien und von Zuwen­dungen an diese Parteien.
  4. Über die Frage der Verfas­sungs­wid­rig­keit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staat­li­cher Finan­zie­rung nach Absatz 3 entscheidet das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt.
  5. Das Nähere regeln Bundes­ge­setze.

Um fest­stellen zu können, ob eine Partei verfas­sungs­widrig ist, muss sie ihre Ziele nicht offen­baren. Es genügt, diese auch in anderen Formen als lediglich mit Worten zum Ausdruck zu bringen. Dazu zählen zum Beispiel die verschrift­lichten Fest­le­gungen eines Partei­pro­gramms, Beschlüsse und Reden, die von Mitglie­dern gehalten wurden, und auch die Inhalte, die anhand der Sozialen Medien veröf­fent­licht werden. Auch das Verhalten von Partei­mit­glie­dern kann bewertet werden, sofern man der betrof­fenen Partei dieses Verhalten zuweisen und klas­si­fi­zieren kann.

Zu den recht­li­chen Voraus­set­zungen, um eine Partei zu verbieten, zählen Ziele, die darauf ausgehen, die frei­heit­lich-demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung zu beein­träch­tigen und diese zu gefährden oder gar zu besei­tigen. Des Weiteren muss es realis­tisch erscheinen, dass das Handeln der Partei gegen die demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung erfolg­reich sein kann.

Stellt das Verfas­sungs­ge­richt die Verfas­sungs­wid­rig­keit einer Partei fest, so kann sie ihren Status verlieren und wird sofort aufgelöst. Ein solches Prüfungs­ver­fahren hat keine konkrete Dauer, kann aller­dings zwei Jahre oder sogar noch länger andauern.

Anfangs habe ich mich gegen ein Verbots­ver­fahren ausge­spro­chen. Doch das hat sich heute geändert. Meine Ansicht hat sich gewendet, und ich plädiere eindeutig für ein AfD-Verbot.

Das Argument, die AfD könnte sich durch ein geschei­tertes Verbots­ver­fahren nur weiter mobi­li­sieren, ist nicht mehr länger von Bedeutung. Denn eines ist klar: Das tut die vom Verfas­sungs­ge­richt rechts­extrem einge­stufte Partei bereits. Nach Umfragen ist sie bundes­weit aktuell zweit­stärkste Kraft. Bei der EU-Parla­ments­wahl war sie zweit­stärkste Kraft, und auch bei der vorge­zo­genen Bundes­tags­wahl am 23. Februar 2025 war sie zweit­stärkste Kraft.

Die Partei mobi­li­siert sich zunehmend. Weder das Bewusst­sein über die Geschichte noch die publik gemachten Skandale bringen die Wähler­schaft davon ab, für sie zu stimmen. Das machen vor allem die Ergeb­nisse der EU-Parla­ments­wahl am 9. Juni, die Land­tags­wahlen im Osten Deutsch­lands und auch die Bundes­tags­wahl klar. Von Protest­wahlen kann ja wohl kaum noch ausschließ­lich die Rede sein. Das war anfangs viel eher eine Ausrede, um diese Entwick­lung nicht wahrhaben zu müssen.

Es hat sich vielmehr ein Trend entwi­ckelt. Zum einen wird aus Ideologie gewählt, und zum anderen, weil sich die Menschen von den anderen Parteien nicht mehr reprä­sen­tiert fühlen und sich mit dem Milieu der AfD stark verbunden fühlen. Sie entwi­ckeln eine Loyalität gegenüber der Partei.

Besonders erfolg­reich jedoch ist die AfD unter jungen Menschen. Dies macht deutlich, dass die AfD die Selbst­fin­dungs­phase der Jugend ausnutzt und zudem ihre Ideo­lo­gien geschickt verpackt und in die jungen Köpfe trans­fe­riert. Die AfD stellt sich stra­te­gisch als Rettung dar. Sie mobi­li­siert ihre Wähler­schaft so, indem sie den Schein wahrt und so tut, als würde sie auf komplexe Fragen einfache Antworten parat haben.

So wählen die Menschen diese Partei nicht nur, weil sie rechts­ra­di­kales Gedan­kengut vertreten, sondern lernen, rechts­ra­di­kales Gedan­kengut zu entwi­ckeln und zu verankern. Die AfD ist nicht nur rechts­extrem, sondern betreibt stra­te­gi­schen Popu­lismus, um ihre Wähler­schaft zu stärken. Ganz offen­sicht­lich gelingt ihr das. Durch Hetze, Verschwö­rungs­theo­rien, Angst­mache und Emotio­na­li­sie­rung gewinnt sie Oberhand über die Menschen.

Diese Entwick­lung ist einfach nur erschre­ckend, denn das zeigt, dass die Wähler­schaft einen festen Bezug zu der Partei aufgebaut hat und sich mit ihr iden­ti­fi­ziert. Diese Loyalität, die die Menschen – unter anderem junge Menschen in der heran­wach­senden Phase – gegenüber der AfD aufgebaut haben, ist gefähr­lich. Die Menschen wählen also nicht nur wegen einer bestehenden Ideologie, sondern entwi­ckeln eine. Die AfD ist dafür ein Kata­ly­sator. Ein Kata­ly­sator, der Faschismus betreibt und dem die Menschen verfallen.

Bei einem geschei­terten Verbots­ver­fahren kann und wird sich die Wähler­schaft womöglich weiter radi­ka­li­sieren, doch im Prinzip würden wir an demselben Punkt ange­langen – unab­hängig davon, ob wir einfach nur warten oder handeln. Die Chance, dass ein Verbots­ver­fahren erfolg­reich wäre, ist groß. Das zeigt auch das Gutachten, das der Verfas­sungs­schutz Anfang Mai veröf­fent­licht hat.

Dieses Gutachten fungiert als Beweis dafür, dass die AfD insgesamt rechts­extrem ist und nicht nur in Teilen. Das war eine Frage der Zeit, denn dass die AfD in ihrer Gesamt­heit gesichert rechts­extre­mis­tisch ist, lag eigent­lich die ganze Zeit auf der Hand. Doch nur kurze Zeit später wurde diese Einstu­fung vorüber­ge­hend zurück­ge­nommen, da die AfD beim Verwal­tungs­ge­richt in Köln Klage einge­reicht hat und einen Eilantrag dagegen gestellt hat.

Wegen des noch immer ausste­henden Gerichts­ur­teils wird die AfD vom Bundesamt weiterhin als soge­nannter Verdachts­fall bezeichnet. Die Bezeich­nung, dass die AfD gesichert rechts­extrem sei, wird solange zurück­ge­nommen und die AfD dementspre­chend auch nicht beob­achtet. Diesen Ansatz kriti­siere ich zutiefst.

Es war von Anfang an klar, dass die AfD gesichert rechts­extrem ist. Dass der Verfas­sungs­schutz dafür so lange gebraucht hat, ist schon besorg­nis­er­re­gend. Aber dass diese Einstu­fung dann auch noch zurück­ge­nommen wird, weil eine rechts­extreme Partei dagegen klagt, ist einfach nur lächer­lich. Eine Partei wie die AfD, die die Diffa­mie­rung der Demo­kratie anstrebt, profi­tiert auch noch von unserer Demo­kratie. Und das darf nicht sein.

Wenn wir nicht einmal versuchen würden, eine Partei, die sich nicht um die Menschen­würde schert, zu verbieten, dann wären wir naiv. Entweder schauen wir dieser fatalen Entwick­lung weiterhin zu, bis sich die AfD so weit mobi­li­siert hat, dass sie die absolute Mehrheit erreicht, oder wir versuchen dem entge­gen­zu­wirken. Wenn der Staat nicht eingreift, dann könnte sich die Geschichte wieder­holen, und man würde doch meinen, dass man aus seinen Fehlern lernt.

Damals wurde kein zweites Verbots­ver­fahren durch­ge­führt, und dies bedeutete das Ende einer ohnehin schon geschwächten und wacke­ligen Demo­kratie. Die Weimarer Republik hatte es zuge­lassen, dass Feinde die Demo­kratie zerstörten. Damals bestand nämlich keine frei­heit­lich-demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung mit ihren unan­tast­baren Prin­zi­pien.

Somit kann heute nicht jede beliebige Bestim­mung außer Kraft gesetzt werden. Doch trotz alledem steht unsere Demo­kratie heute erneut unter Druck und wird auf die Probe gestellt. Die aufkei­mende Entwick­lung muss gestoppt werden, bevor man sie nicht mehr kontrol­lieren kann und sie Kontrolle über unsere Demo­kratie ausübt.

Wenn die Menschen das Gefühl haben, dass der Staat nur tatenlos zuschaut, dann wird das Ganze verharm­lost und pauscha­li­siert. Die Angst gegenüber der AfD würde nur weiter schwinden, und was menschen­ver­ach­tend ist, würde als normal einge­stuft werden – würde sich schlei­chend in unsere Demo­kratie einbetten.

Natürlich besteht die Gefahr, dass das Verfahren scheitern könnte und sich Unruhen weiterhin zuspitzen oder für Unmut sorgen. Doch muss man unter­dessen berück­sich­tigen, dass wir an einem Punkt stehen, an dem wir praktisch keine andere Wahl mehr haben.

Das Argument, die AfD könne man politisch und inhalt­lich stellen, ist meiner Meinung nach zu gutgläubig. Denn bis jetzt hat uns das nicht viel gebracht. Die AfD erlaubt sich immer wieder Ausrut­scher und Fehl­tritte, in denen ihre Ideologie und ihre verwor­rene Politik zum Ausdruck kommt. Doch das hat sie nicht daran gehindert, bei der Bundes­tags­wahl mit 20,8 Prozent zweit­stärkste Kraft zu werden.

Das Potential, dass sich diese Entwick­lung nur noch weiter zuspitzt, ist nun mal da – und auch, dass sich diese Entwick­lung durch­setzen wird, ob früher oder später. Natürlich könnte ein geschei­tertes AfD-Verbots­ver­fahren den Eindruck erwecken, man könne nichts gegen sie unter­nehmen, doch dann würde sich das wahre Gesicht der Politik, die sie bereits jetzt prak­ti­ziert, zeigen. Nur dass es dann zu spät wäre.

Denn das wahre Gesicht trägt die Partei bereits jetzt ganz klar schon nach außen. Es ist sehr offen­sicht­lich, dass diese Partei menschen­ver­ach­tend und rechts­extrem ist, aber wenn es handfest geschrieben steht und von der Justiz geprüft wurde, dann bringen der AfD auch ihre Ausreden nichts.

Das Argument, für ein Verbot würde es nicht reichen, sich gegen Menschen­würde, Demo­kratie und Rechts­staat zu richten, sondern aggres­sive und gezielte Taten zu voll­bringen, die die Verfas­sung gefährden, ist meiner Meinung nach auch eine zu naive Denkweise. Denn jede noch so verfas­sungs­wid­rige Denkweise hat ein Potential, zu etwas Größerem und Gefähr­li­cherem zu werden, und stellt ein enormes Risiko für ein extre­meres Vorgehen dar.

Diese Unter­schei­dung zwischen rechts­ra­dikal und rechts­extrem ist voll­kom­mener Unsinn. Denn der Grad von Rechts­ra­dikal zu Rechts­extrem ist so schmal, dass dieser kaum existiert. Für ein erfolg­rei­ches Verbots­ver­fahren braucht es laut Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt nicht unbedingt Waffen und Gewalt, sondern ein plan­volles Vorgehen, die frei­heit­lich-demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung abzu­schaffen. Und diese Voraus­set­zungen sind durchaus gegeben.

Das Geheim­treffen im Jahr 2024 in Potsdam, bei dem einige AfD-Politiker anwesend waren und sich mit Rechts­extre­misten getroffen haben, um über einen „Master­plan“ für die massen­hafte Abschie­bung in Deutsch­land zu beraten, ist ja wohl Grund genug – oder sollte vielmehr Grund genug sein – sie zu verbieten.

Und nun versucht die AfD, ihren Schein zu wahren. Das Argument, dass doch nicht alle denselben rechts­extremen Konsens vertreten, ist einfach nur falsch. Denn niemand, der ganz bei sich ist und etwas Empathie besitzt, wird Mitglied in dieser Partei.

Der erste Paragraph unseres Grund­ge­setzes – „Die Würde des Menschen ist unan­tastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflich­tung aller staat­li­chen Gewalt.“ – wird somit verletzt, und genau das ist bereits verfas­sungs­widrig.

Die rechts­extremen Bemer­kungen, aus denen einige AfD-Politiker im Parlament nicht mal ein Geheimnis machen – wie etwa Björn Höcke oder Sebastian Krah – sind verfas­sungs­feind­lich und menschen­feind­lich. Allein, dass sie sich trauen, sich öffent­lich so makaber, ohne Angst und Hemmungen, zu äußern, zeigt, dass sie sich sicher sind, den Staat in der Hand zu haben.

Sie stellen es so dar, als ob der Staat ja sowieso nichts gegen sie unter­nehmen könne. Genau das ist Grund zur Sorge. Sie haben keine Angst, weil sie glauben, man würde sich der Entwick­lung passiv und gleich­gültig hingeben – und das würden wir auch tun, wenn wir nicht sehr bald handeln.

Ich selbst glaube, die AfD hat Angst vor einem Verbots­ver­fahren, versucht aller­dings den Schein aufrecht­zu­er­halten, um zu verun­si­chern. Und durch ein Verbots­ver­fahren verstehen manche Menschen viel­leicht auch, wo der Grad zwischen Meinungs­frei­heit und Rechts­extre­mismus beginnt.

Denn es kann einfach nicht sein, dass demo­kra­ti­sche Parteien – wie etwa die Grünen – bei den Land­tags­wahlen im Osten Deutsch­lands anfangen, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern, während extre­mis­ti­sche sie mühelos über­schreiten. Das hat eindeutig den Sinn verfehlt.

So wie der CDU-Politiker Marco Wander­witz, der für ein AfD-Verbot plädiert, sagt: „Die Demo­kratie braucht endlich eine Atempause.“ Das stimmt. Sie braucht eine Zeit, in der sie sich von dem an ihr haftenden Druck lösen und erholen kann.

Im Jahr 2017 schei­terte das NPD-Verbots­ver­fahren. Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt attes­tierte der Partei Verfas­sungs­feind­lich­keit, aber hielt sie für zu durch­set­zungs­schwach, als dass sie die Demo­kratie wirklich gefährden könnte. Somit wurde sie nicht verboten, aber von der staat­li­chen Partei­fi­nan­zie­rung ausge­schlossen.

Ich kriti­siere diesen Ansatz. Meiner Meinung nach hätte man auch diese Partei verbieten und aufs Ganze gehen müssen und nicht nur Teil­maß­nahmen treffen sollen. Denn die AfD hat ebenfalls klein ange­fangen – und es heute geschafft, sich stark zu mobi­li­sieren.

Die NPD hat sich zwar nicht weiter ausbauen und ausdehnen können. Das hätte aber durchaus passieren können. Denn eine Garantie hat man nie im Leben, und das Risiko besteht ganz klar. Natürlich ist ein Ausschluss von der staat­li­chen Partei­en­fi­nan­zie­rung eine Maßnahme, die eine Kompli­ka­tion für eine Partei darstellt, aber die Gefahr und das Potential sollte man nie unter­schätzen.

Dieser Umstand sieht mit der AfD heute nämlich ganz anders aus. Die Partei hat sich eine starke Wähler­schaft ange­eignet. Der einzige Unter­schied zur NPD ist, dass sie in ihrem Wahl­pro­gramm die Ideo­lo­gien nicht ganz deutlich benennen, sondern umschreiben und verpacken. Doch genau das ist das Gefähr­liche an der Partei.

Man hatte lange Zeit nichts direkt gegen sie in der Hand, doch gleich­zeitig indirekt schon – und man weiß, dass sie eine gravie­rende Gefahr ist. Beim letzten Wahlkampf für die Bundes­tags­wahl am 23. Februar 2025 stand im AfD-Wahl­pro­gramm der Begriff „Remi­gra­tion“ fest­ge­schrieben, der auch auf dem rechts­extremen Treffen in Potsdam Anfang 2024 genutzt wurde.

Der öster­rei­chi­sche Rechts­extreme Martin Sellner war auch vor Ort und hat ein Buch über massen­hafte Abschie­bung geschrieben, das diesen Titel trägt. Das zeigt doch ganz klar und offen­sicht­lich, dass die AfD rechts­extrem ist und dass diese Partei selbst kein Geheimnis aus ihrer Ideologie macht – und das sollte doch eigent­lich bereits als Indiz reichen müssen, dass diese Partei verboten werden kann.

Sofern das Potential durch Radi­ka­li­sie­rung und Extre­mismus erhöht wird, kann man die fatale Entwick­lung nicht mehr eindämmen. Die AfD geht stra­te­gisch vor. Sie tastet sich nur so weit vor, wie sie es sich im Moment noch erlauben kann, und hat keine Konse­quenzen zu erwarten.

Es ist also nicht einmal ein Geheimnis, dass Rechts­extreme im Parlament sitzen – und das sind nicht allzu Wenige. Es findet zwar ständig ein öffent­li­cher Diskurs über die AfD statt, aber den Worten folgen keine Taten, keine Hand­lungen. Nicht einmal Teil­ver­bote oder eine Verwei­ge­rung der Partei­en­fi­nan­zie­rung stehen zur Debatte oder werden mit Über­zeu­gung ange­kün­digt.

Auch ein Partei­en­aus­schluss bestimmter Mitglieder wird nicht einmal bei Rechts­extre­misten wie etwa Björn Höcke oder Sebastian Krah durch­ge­führt. Woran liegt das? Es liegt ja wohl auf der Hand, dass sie verfas­sungs­wid­riges, into­le­rantes und menschen­ver­ach­tendes Gedan­kengut vertreten.

Björn Höcke hat für eine verbotene SA-Parole aus dem Natio­nal­so­zia­lismus „Alles für Deutsch­land“, die er in einer Rede genutzt hat, nur eine Geld­strafe erhalten. Doch seine Wähl­bar­keit sowie seinen Einfluss behielt er. Solche „Ausrut­scher“ erlaubte er sich immer wieder – und das sind ganz klar keine Ausrut­scher. Das sind gewollte Aussagen von Rechts­extremen.

Wie kann man also jemandem, von dem man ganz offen­sicht­lich weiß, dass er rechts­extrem ist, weiterhin poli­ti­schen Einfluss gewähren? Damit spielt man der AfD in die Hände. Wir wollen unsere Demo­kratie schützen, aber ziehen dieje­nigen, die sie gefährden, nicht einmal zur Rechen­schaft? Das ist doch paradox und doppel­mo­ra­lisch. Als ob eine Geld­strafe unsere Demo­kratie schützt und rettet.

Dass ein Partei­en­aus­schluss schwierig ist, weil Parteien Meinungs­viel­falt zulassen müssen, kann hier ja wohl kein Grund mehr sein. Denn Meinungs­frei­heit hört dann auf, wenn die Meinung eine Gefähr­dung für andere Menschen darstellt und zudem diskri­mi­nie­rend und menschen­ver­ach­tend ist.

Also woran liegt es, dass nicht einmal solche Maßnahmen vollzogen oder gar in Erwägung gezogen werden? Vermut­lich, weil keiner einen Antrag gegen besagte Personen oder weitere gestellt hat.

In Artikel 10 Absatz 4 unseres Grund­ge­setzes steht fest verankert:

„Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausge­schlossen werden, wenn es vorsätz­lich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grund­sätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.“

Ist es dann wirklich so schwer, ein solches Vorgehen in Erwägung zu ziehen? Ein Mitglied muss gegen Grund­sätze oder die Ordnung der Partei verstoßen, um aus der Partei ausge­schlossen werden zu können. Doch offen­sicht­lich ist dies bei der AfD – trotz der Rechts­extre­misten – nicht der Fall. Sie sind ganz augen­schein­lich in ihre Ordnung mitein­be­zogen.

Doch was muss dann in dieser Ordnung stehen? Was ist das für eine Partei­en­ord­nung, in der Rechts­extre­mismus legi­ti­miert wird? Ist das nicht Indiz genug, die gesamte Partei als gesichert rechts­extrem zu betiteln?

Es ist Grund genug zu handeln und ein Verbots­ver­fahren durch­zu­führen. Man sollte der Partei zeigen, dass hier Stopp ist – statt ihr auch noch die Hand zu reichen, indem man nur zuschaut und dabei sein eigenes Grab schaufelt.

Das Argument mit der Meinungs­frei­heit – und dass man frei im Denken sein sollte und das Denken allein noch nicht verfas­sungs­widrig ist – kann man insofern entkräften, dass Ideen und deren Umset­zungen in Taten im Denken beginnen. Das heißt: Die AfD wartet nur auf ihre Gele­gen­heit und wird diese am Schopfe packen. Sie wird warten, bis die letzte Stunde geschlagen hat. Dieses Ausmaß müssen wir verhin­dern.

Und außerdem gilt auch für mich das Toleranz-Paradoxon:

„Unein­ge­schränkte Toleranz führt mit Notwen­dig­keit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die unein­ge­schränkte Toleranz sogar auf die Into­le­ranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesell­schafts­ord­nung gegen die Angriffe der Into­le­ranz zu vertei­digen, dann werden die Tole­ranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“
Karl Popper, „Aus die Gesell­schaft und ihre Feinde“ (1945)

Dennoch ist mit einem Verbot zwar das Symptom bekämpft, aber die Ursache besteht immer noch. Denn keine Wähler­schaft, keine Partei. Hierzu zählt nämlich noch mehr.

Unab­hängig von den Menschen, die eine Ideologie vertreten oder eine entwi­ckeln, sind die Menschen mit der aktuellen Politik unzu­frieden. Zual­ler­erst müssen die demo­kra­ti­schen Parteien zusam­men­halten und kompro­miss­be­reiter werden. Sie müssen versuchen, koali­ti­ons­fä­higer zu sein und einen voran­schrei­tenden segmen­tierten Plura­lismus verhin­dern – und genau das auch in Hinblick auf die geschei­terte Ampel-Koalition.

Denn hier ist letztlich der Zusam­men­halt daran geschei­tert, dass ein Exis­tenz­kampf der Parteien dominiert hat, statt so zu agieren, um in aller­erster Linie die Demo­kratie zu schützen. Die jetzigen Etablierten müssten also ihre Wett­be­werbs­be­reit­schaft stärken, ohne dabei stra­te­gi­schen Popu­lismus zu betreiben und sich gegen­seitig zu desta­bi­li­sieren.

Die eigenen Werte müssten gestärkt, permanent publi­ziert und in den Alltag inte­griert werden. In Schulen sollten Kinder mit den Begriffen Empathie, Toleranz und Demo­kratie konfron­tiert werden – denn das kann nie früh genug sein.

Gerade in der Phase des Heran­wach­sens, in der Phase der Selbst­fin­dung und Iden­ti­täts­suche, die oftmals schwierig und turbulent verläuft, können solche Themen aufge­griffen und gut verstanden werden. Dafür bietet die Digi­ta­li­sie­rung eine Chance, die ergriffen werden muss.

Die Propa­ganda der AfD muss über­trumpft werden, und Maßnahmen in Hinsicht auf Social Media und poli­ti­sche Bildung müssen ergriffen werden. Aber auch die steigende Arbeits­lo­sig­keit muss einge­dämmt werden. Wir befinden uns in einer Krisen­zeit – inter­na­tional betrachtet, aber auch innen­po­li­tisch.

Die Rechten treiben ihr Unwesen, unsere Wirt­schaft stagniert, und inter­na­tio­nale Konflikte rütteln an uns. Die Frage, ob man die soziale Markt­wirt­schaft, die hier prak­ti­ziert wird, überhaupt noch als weit­ge­hend sozial bezeichnen kann, keimt auf.

Die Phase ist turbulent, aber nicht aussichtslos. Die demo­kra­ti­schen Parteien sollten verändern und eine Heraus­for­de­rung annehmen, statt einen sinnlosen und zweck­losen Exis­tenz­kampf zu betreiben. Sie müssen kompro­miss­be­reiter werden – und vor allem bei ihren Werten bleiben.

Denn mit diesem Rechts­ruck zu gehen, indem man Debatten wie die Migra­ti­ons­po­litik permanent an den Pranger hängt oder zu versuchen, die AfD inhalt­lich zu stellen, indem man sich an ihre Forderung, eine strengere Migra­ti­ons­po­litik zu prak­ti­zieren, anpasst, ist fatal und kata­stro­phal für eine plura­lis­ti­sche Gesell­schaft und unsere Demo­kratie.

Sie müssen wieder auf Kurs gehen und deutlich machen, was Demo­kratie, Vielfalt und Toleranz bedeuten – und wofür es sich zu kämpfen lohnt. Denn wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Fragt sich nur noch, wie stark der Wille ist, die Demo­kratie zu schützen?

Demo­kratie ist keine Selbst­ver­ständ­lich­keit – und somit ein unglaub­li­ches Privileg. Wir sollten dieses Privileg wert­schätzen und uns aktiv daran betei­ligen – und nicht gleich­gültig wegschauen.

Die Weimarer Republik war eine Demo­kratie ohne Demo­kraten. Und wenn wir so weiter­ma­chen, werden wir zu einer Demo­kratie mit schla­fenden Demo­kraten.

Ich plädiere voller Über­zeu­gung für ein Verbot. Entweder laufen wir in eine drama­ti­sche Entwick­lung hinein oder wir unter­nehmen etwas dagegen. Nicht zu handeln ist Gleich­gül­tig­keit. Das Böse kann sich nur ausweiten, wenn wir es hinnehmen und gleich­gültig sind.

Nicht umsonst haben wir ein Grund­ge­setz, das uns eine Möglich­keit bietet, Verfas­sungs- und Demo­kra­tie­feinde daran zu hindern, unsere Demo­kratie zu diffa­mieren – gar abzu­schaffen. Wir haben eine Chance zu handeln und sollten sie ergreifen, sie nutzen, bevor es zu spät ist.

von
Ela Cigir­dasman