Mehrere Bundestagsabgeordnete wollten ein Verbotsverfahren gegen die AfD beantragen und suchten weitere Verbündete. Über den Antrag wurde strittig und kontrovers diskutiert. Denn kann ein solches Verbotsverfahren überhaupt erfolgreich sein oder könnte es die Situation nur noch weiter aufheizen und katastrophale Folgen mit sich bringen? Letztlich scheiterte dieses Vorgehen.
Aktuell entflammt eine erneute Debatte darüber, nachdem der Verfassungsschutz ein Gutachten mit mehr als 1.000 Seiten veröffentlicht hat, das als Vorlage für Belege dienen soll. Warum es dringend nötig ist ein AfD-Verbotsverfahren in Gang zu setzen, thematisiere ich genauer.
Zu allererst: Was ist eigentlich ein Parteiverbotsverfahren und wann kann dieses eintreten?
Die Gründung von Parteien ist zwar frei, dennoch können diese unter bestimmten Voraussetzungen verboten werden. Parteien müssen nämlich verfassungswidrig agieren, um verboten werden zu können. Dabei kann lediglich das Bundesverfassungsgericht, als freies unabhängiges Organ, durch Urteil entscheiden, ob eine Partei verfassungswidrig ist.
Der Antrag auf eine Prüfung der Verfassungswidrigkeit kann nur durch den Bundestag, die Bundesregierung oder den Bundesrat gestellt werden.
In Artikel 21 unserer Verfassung werden Grundaussagen zum Recht der politischen Parteien in Deutschland festgelegt und geregelt:
- Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.
- Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.
- Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.
- Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
- Das Nähere regeln Bundesgesetze.
Um feststellen zu können, ob eine Partei verfassungswidrig ist, muss sie ihre Ziele nicht offenbaren. Es genügt, diese auch in anderen Formen als lediglich mit Worten zum Ausdruck zu bringen. Dazu zählen zum Beispiel die verschriftlichten Festlegungen eines Parteiprogramms, Beschlüsse und Reden, die von Mitgliedern gehalten wurden, und auch die Inhalte, die anhand der Sozialen Medien veröffentlicht werden. Auch das Verhalten von Parteimitgliedern kann bewertet werden, sofern man der betroffenen Partei dieses Verhalten zuweisen und klassifizieren kann.
Zu den rechtlichen Voraussetzungen, um eine Partei zu verbieten, zählen Ziele, die darauf ausgehen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen und diese zu gefährden oder gar zu beseitigen. Des Weiteren muss es realistisch erscheinen, dass das Handeln der Partei gegen die demokratische Grundordnung erfolgreich sein kann.
Stellt das Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer Partei fest, so kann sie ihren Status verlieren und wird sofort aufgelöst. Ein solches Prüfungsverfahren hat keine konkrete Dauer, kann allerdings zwei Jahre oder sogar noch länger andauern.
Anfangs habe ich mich gegen ein Verbotsverfahren ausgesprochen. Doch das hat sich heute geändert. Meine Ansicht hat sich gewendet, und ich plädiere eindeutig für ein AfD-Verbot.
Das Argument, die AfD könnte sich durch ein gescheitertes Verbotsverfahren nur weiter mobilisieren, ist nicht mehr länger von Bedeutung. Denn eines ist klar: Das tut die vom Verfassungsgericht rechtsextrem eingestufte Partei bereits. Nach Umfragen ist sie bundesweit aktuell zweitstärkste Kraft. Bei der EU-Parlamentswahl war sie zweitstärkste Kraft, und auch bei der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar 2025 war sie zweitstärkste Kraft.
Die Partei mobilisiert sich zunehmend. Weder das Bewusstsein über die Geschichte noch die publik gemachten Skandale bringen die Wählerschaft davon ab, für sie zu stimmen. Das machen vor allem die Ergebnisse der EU-Parlamentswahl am 9. Juni, die Landtagswahlen im Osten Deutschlands und auch die Bundestagswahl klar. Von Protestwahlen kann ja wohl kaum noch ausschließlich die Rede sein. Das war anfangs viel eher eine Ausrede, um diese Entwicklung nicht wahrhaben zu müssen.
Es hat sich vielmehr ein Trend entwickelt. Zum einen wird aus Ideologie gewählt, und zum anderen, weil sich die Menschen von den anderen Parteien nicht mehr repräsentiert fühlen und sich mit dem Milieu der AfD stark verbunden fühlen. Sie entwickeln eine Loyalität gegenüber der Partei.
Besonders erfolgreich jedoch ist die AfD unter jungen Menschen. Dies macht deutlich, dass die AfD die Selbstfindungsphase der Jugend ausnutzt und zudem ihre Ideologien geschickt verpackt und in die jungen Köpfe transferiert. Die AfD stellt sich strategisch als Rettung dar. Sie mobilisiert ihre Wählerschaft so, indem sie den Schein wahrt und so tut, als würde sie auf komplexe Fragen einfache Antworten parat haben.
So wählen die Menschen diese Partei nicht nur, weil sie rechtsradikales Gedankengut vertreten, sondern lernen, rechtsradikales Gedankengut zu entwickeln und zu verankern. Die AfD ist nicht nur rechtsextrem, sondern betreibt strategischen Populismus, um ihre Wählerschaft zu stärken. Ganz offensichtlich gelingt ihr das. Durch Hetze, Verschwörungstheorien, Angstmache und Emotionalisierung gewinnt sie Oberhand über die Menschen.
Diese Entwicklung ist einfach nur erschreckend, denn das zeigt, dass die Wählerschaft einen festen Bezug zu der Partei aufgebaut hat und sich mit ihr identifiziert. Diese Loyalität, die die Menschen – unter anderem junge Menschen in der heranwachsenden Phase – gegenüber der AfD aufgebaut haben, ist gefährlich. Die Menschen wählen also nicht nur wegen einer bestehenden Ideologie, sondern entwickeln eine. Die AfD ist dafür ein Katalysator. Ein Katalysator, der Faschismus betreibt und dem die Menschen verfallen.
Bei einem gescheiterten Verbotsverfahren kann und wird sich die Wählerschaft womöglich weiter radikalisieren, doch im Prinzip würden wir an demselben Punkt angelangen – unabhängig davon, ob wir einfach nur warten oder handeln. Die Chance, dass ein Verbotsverfahren erfolgreich wäre, ist groß. Das zeigt auch das Gutachten, das der Verfassungsschutz Anfang Mai veröffentlicht hat.
Dieses Gutachten fungiert als Beweis dafür, dass die AfD insgesamt rechtsextrem ist und nicht nur in Teilen. Das war eine Frage der Zeit, denn dass die AfD in ihrer Gesamtheit gesichert rechtsextremistisch ist, lag eigentlich die ganze Zeit auf der Hand. Doch nur kurze Zeit später wurde diese Einstufung vorübergehend zurückgenommen, da die AfD beim Verwaltungsgericht in Köln Klage eingereicht hat und einen Eilantrag dagegen gestellt hat.
Wegen des noch immer ausstehenden Gerichtsurteils wird die AfD vom Bundesamt weiterhin als sogenannter Verdachtsfall bezeichnet. Die Bezeichnung, dass die AfD gesichert rechtsextrem sei, wird solange zurückgenommen und die AfD dementsprechend auch nicht beobachtet. Diesen Ansatz kritisiere ich zutiefst.
Es war von Anfang an klar, dass die AfD gesichert rechtsextrem ist. Dass der Verfassungsschutz dafür so lange gebraucht hat, ist schon besorgniserregend. Aber dass diese Einstufung dann auch noch zurückgenommen wird, weil eine rechtsextreme Partei dagegen klagt, ist einfach nur lächerlich. Eine Partei wie die AfD, die die Diffamierung der Demokratie anstrebt, profitiert auch noch von unserer Demokratie. Und das darf nicht sein.
Wenn wir nicht einmal versuchen würden, eine Partei, die sich nicht um die Menschenwürde schert, zu verbieten, dann wären wir naiv. Entweder schauen wir dieser fatalen Entwicklung weiterhin zu, bis sich die AfD so weit mobilisiert hat, dass sie die absolute Mehrheit erreicht, oder wir versuchen dem entgegenzuwirken. Wenn der Staat nicht eingreift, dann könnte sich die Geschichte wiederholen, und man würde doch meinen, dass man aus seinen Fehlern lernt.
Damals wurde kein zweites Verbotsverfahren durchgeführt, und dies bedeutete das Ende einer ohnehin schon geschwächten und wackeligen Demokratie. Die Weimarer Republik hatte es zugelassen, dass Feinde die Demokratie zerstörten. Damals bestand nämlich keine freiheitlich-demokratische Grundordnung mit ihren unantastbaren Prinzipien.
Somit kann heute nicht jede beliebige Bestimmung außer Kraft gesetzt werden. Doch trotz alledem steht unsere Demokratie heute erneut unter Druck und wird auf die Probe gestellt. Die aufkeimende Entwicklung muss gestoppt werden, bevor man sie nicht mehr kontrollieren kann und sie Kontrolle über unsere Demokratie ausübt.
Wenn die Menschen das Gefühl haben, dass der Staat nur tatenlos zuschaut, dann wird das Ganze verharmlost und pauschalisiert. Die Angst gegenüber der AfD würde nur weiter schwinden, und was menschenverachtend ist, würde als normal eingestuft werden – würde sich schleichend in unsere Demokratie einbetten.
Natürlich besteht die Gefahr, dass das Verfahren scheitern könnte und sich Unruhen weiterhin zuspitzen oder für Unmut sorgen. Doch muss man unterdessen berücksichtigen, dass wir an einem Punkt stehen, an dem wir praktisch keine andere Wahl mehr haben.
Das Argument, die AfD könne man politisch und inhaltlich stellen, ist meiner Meinung nach zu gutgläubig. Denn bis jetzt hat uns das nicht viel gebracht. Die AfD erlaubt sich immer wieder Ausrutscher und Fehltritte, in denen ihre Ideologie und ihre verworrene Politik zum Ausdruck kommt. Doch das hat sie nicht daran gehindert, bei der Bundestagswahl mit 20,8 Prozent zweitstärkste Kraft zu werden.
Das Potential, dass sich diese Entwicklung nur noch weiter zuspitzt, ist nun mal da – und auch, dass sich diese Entwicklung durchsetzen wird, ob früher oder später. Natürlich könnte ein gescheitertes AfD-Verbotsverfahren den Eindruck erwecken, man könne nichts gegen sie unternehmen, doch dann würde sich das wahre Gesicht der Politik, die sie bereits jetzt praktiziert, zeigen. Nur dass es dann zu spät wäre.
Denn das wahre Gesicht trägt die Partei bereits jetzt ganz klar schon nach außen. Es ist sehr offensichtlich, dass diese Partei menschenverachtend und rechtsextrem ist, aber wenn es handfest geschrieben steht und von der Justiz geprüft wurde, dann bringen der AfD auch ihre Ausreden nichts.
Das Argument, für ein Verbot würde es nicht reichen, sich gegen Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat zu richten, sondern aggressive und gezielte Taten zu vollbringen, die die Verfassung gefährden, ist meiner Meinung nach auch eine zu naive Denkweise. Denn jede noch so verfassungswidrige Denkweise hat ein Potential, zu etwas Größerem und Gefährlicherem zu werden, und stellt ein enormes Risiko für ein extremeres Vorgehen dar.
Diese Unterscheidung zwischen rechtsradikal und rechtsextrem ist vollkommener Unsinn. Denn der Grad von Rechtsradikal zu Rechtsextrem ist so schmal, dass dieser kaum existiert. Für ein erfolgreiches Verbotsverfahren braucht es laut Bundesverfassungsgericht nicht unbedingt Waffen und Gewalt, sondern ein planvolles Vorgehen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung abzuschaffen. Und diese Voraussetzungen sind durchaus gegeben.
Das Geheimtreffen im Jahr 2024 in Potsdam, bei dem einige AfD-Politiker anwesend waren und sich mit Rechtsextremisten getroffen haben, um über einen „Masterplan“ für die massenhafte Abschiebung in Deutschland zu beraten, ist ja wohl Grund genug – oder sollte vielmehr Grund genug sein – sie zu verbieten.
Und nun versucht die AfD, ihren Schein zu wahren. Das Argument, dass doch nicht alle denselben rechtsextremen Konsens vertreten, ist einfach nur falsch. Denn niemand, der ganz bei sich ist und etwas Empathie besitzt, wird Mitglied in dieser Partei.
Der erste Paragraph unseres Grundgesetzes – „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ – wird somit verletzt, und genau das ist bereits verfassungswidrig.
Die rechtsextremen Bemerkungen, aus denen einige AfD-Politiker im Parlament nicht mal ein Geheimnis machen – wie etwa Björn Höcke oder Sebastian Krah – sind verfassungsfeindlich und menschenfeindlich. Allein, dass sie sich trauen, sich öffentlich so makaber, ohne Angst und Hemmungen, zu äußern, zeigt, dass sie sich sicher sind, den Staat in der Hand zu haben.
Sie stellen es so dar, als ob der Staat ja sowieso nichts gegen sie unternehmen könne. Genau das ist Grund zur Sorge. Sie haben keine Angst, weil sie glauben, man würde sich der Entwicklung passiv und gleichgültig hingeben – und das würden wir auch tun, wenn wir nicht sehr bald handeln.
Ich selbst glaube, die AfD hat Angst vor einem Verbotsverfahren, versucht allerdings den Schein aufrechtzuerhalten, um zu verunsichern. Und durch ein Verbotsverfahren verstehen manche Menschen vielleicht auch, wo der Grad zwischen Meinungsfreiheit und Rechtsextremismus beginnt.
Denn es kann einfach nicht sein, dass demokratische Parteien – wie etwa die Grünen – bei den Landtagswahlen im Osten Deutschlands anfangen, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern, während extremistische sie mühelos überschreiten. Das hat eindeutig den Sinn verfehlt.
So wie der CDU-Politiker Marco Wanderwitz, der für ein AfD-Verbot plädiert, sagt: „Die Demokratie braucht endlich eine Atempause.“ Das stimmt. Sie braucht eine Zeit, in der sie sich von dem an ihr haftenden Druck lösen und erholen kann.
Im Jahr 2017 scheiterte das NPD-Verbotsverfahren. Das Bundesverfassungsgericht attestierte der Partei Verfassungsfeindlichkeit, aber hielt sie für zu durchsetzungsschwach, als dass sie die Demokratie wirklich gefährden könnte. Somit wurde sie nicht verboten, aber von der staatlichen Parteifinanzierung ausgeschlossen.
Ich kritisiere diesen Ansatz. Meiner Meinung nach hätte man auch diese Partei verbieten und aufs Ganze gehen müssen und nicht nur Teilmaßnahmen treffen sollen. Denn die AfD hat ebenfalls klein angefangen – und es heute geschafft, sich stark zu mobilisieren.
Die NPD hat sich zwar nicht weiter ausbauen und ausdehnen können. Das hätte aber durchaus passieren können. Denn eine Garantie hat man nie im Leben, und das Risiko besteht ganz klar. Natürlich ist ein Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung eine Maßnahme, die eine Komplikation für eine Partei darstellt, aber die Gefahr und das Potential sollte man nie unterschätzen.
Dieser Umstand sieht mit der AfD heute nämlich ganz anders aus. Die Partei hat sich eine starke Wählerschaft angeeignet. Der einzige Unterschied zur NPD ist, dass sie in ihrem Wahlprogramm die Ideologien nicht ganz deutlich benennen, sondern umschreiben und verpacken. Doch genau das ist das Gefährliche an der Partei.
Man hatte lange Zeit nichts direkt gegen sie in der Hand, doch gleichzeitig indirekt schon – und man weiß, dass sie eine gravierende Gefahr ist. Beim letzten Wahlkampf für die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 stand im AfD-Wahlprogramm der Begriff „Remigration“ festgeschrieben, der auch auf dem rechtsextremen Treffen in Potsdam Anfang 2024 genutzt wurde.
Der österreichische Rechtsextreme Martin Sellner war auch vor Ort und hat ein Buch über massenhafte Abschiebung geschrieben, das diesen Titel trägt. Das zeigt doch ganz klar und offensichtlich, dass die AfD rechtsextrem ist und dass diese Partei selbst kein Geheimnis aus ihrer Ideologie macht – und das sollte doch eigentlich bereits als Indiz reichen müssen, dass diese Partei verboten werden kann.
Sofern das Potential durch Radikalisierung und Extremismus erhöht wird, kann man die fatale Entwicklung nicht mehr eindämmen. Die AfD geht strategisch vor. Sie tastet sich nur so weit vor, wie sie es sich im Moment noch erlauben kann, und hat keine Konsequenzen zu erwarten.
Es ist also nicht einmal ein Geheimnis, dass Rechtsextreme im Parlament sitzen – und das sind nicht allzu Wenige. Es findet zwar ständig ein öffentlicher Diskurs über die AfD statt, aber den Worten folgen keine Taten, keine Handlungen. Nicht einmal Teilverbote oder eine Verweigerung der Parteienfinanzierung stehen zur Debatte oder werden mit Überzeugung angekündigt.
Auch ein Parteienausschluss bestimmter Mitglieder wird nicht einmal bei Rechtsextremisten wie etwa Björn Höcke oder Sebastian Krah durchgeführt. Woran liegt das? Es liegt ja wohl auf der Hand, dass sie verfassungswidriges, intolerantes und menschenverachtendes Gedankengut vertreten.
Björn Höcke hat für eine verbotene SA-Parole aus dem Nationalsozialismus „Alles für Deutschland“, die er in einer Rede genutzt hat, nur eine Geldstrafe erhalten. Doch seine Wählbarkeit sowie seinen Einfluss behielt er. Solche „Ausrutscher“ erlaubte er sich immer wieder – und das sind ganz klar keine Ausrutscher. Das sind gewollte Aussagen von Rechtsextremen.
Wie kann man also jemandem, von dem man ganz offensichtlich weiß, dass er rechtsextrem ist, weiterhin politischen Einfluss gewähren? Damit spielt man der AfD in die Hände. Wir wollen unsere Demokratie schützen, aber ziehen diejenigen, die sie gefährden, nicht einmal zur Rechenschaft? Das ist doch paradox und doppelmoralisch. Als ob eine Geldstrafe unsere Demokratie schützt und rettet.
Dass ein Parteienausschluss schwierig ist, weil Parteien Meinungsvielfalt zulassen müssen, kann hier ja wohl kein Grund mehr sein. Denn Meinungsfreiheit hört dann auf, wenn die Meinung eine Gefährdung für andere Menschen darstellt und zudem diskriminierend und menschenverachtend ist.
Also woran liegt es, dass nicht einmal solche Maßnahmen vollzogen oder gar in Erwägung gezogen werden? Vermutlich, weil keiner einen Antrag gegen besagte Personen oder weitere gestellt hat.
In Artikel 10 Absatz 4 unseres Grundgesetzes steht fest verankert:
„Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.“
Ist es dann wirklich so schwer, ein solches Vorgehen in Erwägung zu ziehen? Ein Mitglied muss gegen Grundsätze oder die Ordnung der Partei verstoßen, um aus der Partei ausgeschlossen werden zu können. Doch offensichtlich ist dies bei der AfD – trotz der Rechtsextremisten – nicht der Fall. Sie sind ganz augenscheinlich in ihre Ordnung miteinbezogen.
Doch was muss dann in dieser Ordnung stehen? Was ist das für eine Parteienordnung, in der Rechtsextremismus legitimiert wird? Ist das nicht Indiz genug, die gesamte Partei als gesichert rechtsextrem zu betiteln?
Es ist Grund genug zu handeln und ein Verbotsverfahren durchzuführen. Man sollte der Partei zeigen, dass hier Stopp ist – statt ihr auch noch die Hand zu reichen, indem man nur zuschaut und dabei sein eigenes Grab schaufelt.
Das Argument mit der Meinungsfreiheit – und dass man frei im Denken sein sollte und das Denken allein noch nicht verfassungswidrig ist – kann man insofern entkräften, dass Ideen und deren Umsetzungen in Taten im Denken beginnen. Das heißt: Die AfD wartet nur auf ihre Gelegenheit und wird diese am Schopfe packen. Sie wird warten, bis die letzte Stunde geschlagen hat. Dieses Ausmaß müssen wir verhindern.
Und außerdem gilt auch für mich das Toleranz-Paradoxon:
„Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“
Karl Popper, „Aus die Gesellschaft und ihre Feinde“ (1945)
Dennoch ist mit einem Verbot zwar das Symptom bekämpft, aber die Ursache besteht immer noch. Denn keine Wählerschaft, keine Partei. Hierzu zählt nämlich noch mehr.
Unabhängig von den Menschen, die eine Ideologie vertreten oder eine entwickeln, sind die Menschen mit der aktuellen Politik unzufrieden. Zuallererst müssen die demokratischen Parteien zusammenhalten und kompromissbereiter werden. Sie müssen versuchen, koalitionsfähiger zu sein und einen voranschreitenden segmentierten Pluralismus verhindern – und genau das auch in Hinblick auf die gescheiterte Ampel-Koalition.
Denn hier ist letztlich der Zusammenhalt daran gescheitert, dass ein Existenzkampf der Parteien dominiert hat, statt so zu agieren, um in allererster Linie die Demokratie zu schützen. Die jetzigen Etablierten müssten also ihre Wettbewerbsbereitschaft stärken, ohne dabei strategischen Populismus zu betreiben und sich gegenseitig zu destabilisieren.
Die eigenen Werte müssten gestärkt, permanent publiziert und in den Alltag integriert werden. In Schulen sollten Kinder mit den Begriffen Empathie, Toleranz und Demokratie konfrontiert werden – denn das kann nie früh genug sein.
Gerade in der Phase des Heranwachsens, in der Phase der Selbstfindung und Identitätssuche, die oftmals schwierig und turbulent verläuft, können solche Themen aufgegriffen und gut verstanden werden. Dafür bietet die Digitalisierung eine Chance, die ergriffen werden muss.
Die Propaganda der AfD muss übertrumpft werden, und Maßnahmen in Hinsicht auf Social Media und politische Bildung müssen ergriffen werden. Aber auch die steigende Arbeitslosigkeit muss eingedämmt werden. Wir befinden uns in einer Krisenzeit – international betrachtet, aber auch innenpolitisch.
Die Rechten treiben ihr Unwesen, unsere Wirtschaft stagniert, und internationale Konflikte rütteln an uns. Die Frage, ob man die soziale Marktwirtschaft, die hier praktiziert wird, überhaupt noch als weitgehend sozial bezeichnen kann, keimt auf.
Die Phase ist turbulent, aber nicht aussichtslos. Die demokratischen Parteien sollten verändern und eine Herausforderung annehmen, statt einen sinnlosen und zwecklosen Existenzkampf zu betreiben. Sie müssen kompromissbereiter werden – und vor allem bei ihren Werten bleiben.
Denn mit diesem Rechtsruck zu gehen, indem man Debatten wie die Migrationspolitik permanent an den Pranger hängt oder zu versuchen, die AfD inhaltlich zu stellen, indem man sich an ihre Forderung, eine strengere Migrationspolitik zu praktizieren, anpasst, ist fatal und katastrophal für eine pluralistische Gesellschaft und unsere Demokratie.
Sie müssen wieder auf Kurs gehen und deutlich machen, was Demokratie, Vielfalt und Toleranz bedeuten – und wofür es sich zu kämpfen lohnt. Denn wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Fragt sich nur noch, wie stark der Wille ist, die Demokratie zu schützen?
Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit – und somit ein unglaubliches Privileg. Wir sollten dieses Privileg wertschätzen und uns aktiv daran beteiligen – und nicht gleichgültig wegschauen.
Die Weimarer Republik war eine Demokratie ohne Demokraten. Und wenn wir so weitermachen, werden wir zu einer Demokratie mit schlafenden Demokraten.
Ich plädiere voller Überzeugung für ein Verbot. Entweder laufen wir in eine dramatische Entwicklung hinein oder wir unternehmen etwas dagegen. Nicht zu handeln ist Gleichgültigkeit. Das Böse kann sich nur ausweiten, wenn wir es hinnehmen und gleichgültig sind.
Nicht umsonst haben wir ein Grundgesetz, das uns eine Möglichkeit bietet, Verfassungs- und Demokratiefeinde daran zu hindern, unsere Demokratie zu diffamieren – gar abzuschaffen. Wir haben eine Chance zu handeln und sollten sie ergreifen, sie nutzen, bevor es zu spät ist.
von
Ela Cigirdasman